Mittwoch, November 15, 2006

Gästehaus und -betreuung




Nach einigen Jahren unterschiedlichster Erfahrungen mit meinem (fast) kostenlos zur Verfügung gestellten "Gästehaus" möchte ich einige Dinge schon vorher sagen - damit es keine zu große Enttäuschungen mehr gibt.
Bei der Renovierung von einem alten Bauernhaus gab es für mich eine Priorität - es sollte von der Inneneinrichtung mit offenem Kamin bis zu Details wie z. B. einer Stein- oder Strohmattendecke, Fenstern und Türen (inkl. Schloß) alles möglichst wieder so werden wie es früher - vielleicht schon vor 100 Jahren - war.
Ich denke, dass die Restaurierung in diesem Sinne gelungen ist und das Haus "Atmosphäre" hat. Dafür opferte ich aber auch vieles was moderne Menschen kaum mehr missen wollen. So gibt es in den Zimmern keine Doppelbetten und kein Wasser. Der Wohnraum war früher Schlafraum zugleich und alles ist deshalb ein wenig anders angeordnet.
Waschgelegenheit, Dusche und "europäisches" WC sind im neueren Hausteil und nur über das Freie (Innenhof) zugänglich. Ja - noch vor einigen Jahrzehnten gab es bestenfalls im eigenen Innenhof Wasser, die meisten Familien mussten mit einem nahegelegenen öffentlichen Brunnen das Auslangen finden!
Ich hatte bei der Restaurierung die Möglichkeit das Haus zu "modernisieren" - etwa durch modernere, staubdichte Fenster und Türen, offene Kamine zuzumauern oder Staub und auch gelegentlich - je nach Jahreszeit - einen Käfer oder eine Maus in Kauf zu nehmen und mich an dem Flair eines unveränderten, alten kappadokischen Bauernhauses zu erfreuen.
Für mich war das keine echte Frage und es wurde die zweite Variante mit Atmosphäre, Staub, Putzen und gelegentlichen Mitbewohnern. Von Staub, Putzen und den Tierchen bin ich auch nicht begeistert aber sie verderben mir nicht die Freude an allem anderen wie es leider bei einzelnen Gästen schon der Fall war.
Ich darf aber auch sagen, daß schon viele Besucher mit den Verhältnissen gut zurecht kamen und es gab schon einige die begeistert waren und - wie ich - nicht tauschen möchten.
Trotzdem - diese "Originalzustände" scheinen für einige meiner Gäste ein größeres Problem zu sein als ich dachte und ich möchte Leuten denen ein Käfer oder eine Spinne den Aufenthalt verdirbt oder die es lieber zeitgemäßer hätten mein Haus nicht mehr (jedenfalls uneingeschränkt) empfehlen.
Wenn du ein Typ wie ich bist gefällt es dir aber für andere kann ein Geräusch im Dachgebälk oder ein Käfer an der Wand wohl mehr als unangenehm sein und das verstehe ich. Da mag ein sauberes, gepflegtes (vielleicht mit Dusche und WC ausgestattetes) und zudem noch preisgünstiges Hotel- oder Pensionszimmer im Ort die bessere Wahl sein.
Wer bei mir (fast gratis) wohnen will muß seinen Urlaub evtl. mit Putzen und Staubwischen in seinem Zimmer beginnen. Ich weiß, das ist kein Urlaubsbeginn wie man sich ihn vorstellt aber wenn ich keine Gelegenheit hatte das schon vorher zu tun (z. B. bei gemeinsamer Anreise) gibt es dafür keine Alternative. Und manchmal - je nach Umständen - erwarte ich diese Mithilfe auch wenn ich schon vor Ort bin.
Fast gratis ist ein Aufenthalt deshalb weil ich von meinen Besuchern erwarte, daß sie einen Beitrag für Wasser und Stromverbrauch (und evtl. Reinigung) bezahlen. Mehr darf es schon deshalb nicht sein weil ich das Haus nicht als Pension führe und möchte ich von Freunden auch nicht.
Aus Erfahrungen glaube ich einen Test gefunden zu haben ob das Bauernhaus für dich in Frage kommt oder eher doch nicht. Wenn du denkst nach einer (gemeinsamen) Reinigung mit den Verhältnissen zurecht zu kommen freue ich mich. Aber ich möchte, daß wirklich alle "Möbelstücke" inkl. Teppiche usw. wieder an ihren Platz kommen und NICHTS aus hygienischen Gründen "ausquartiert" wird. Denn das darf ich aus Erfahrung sagen: Unter den Gästen die aus Hygiene und Sauberkeitsgründen etwa die Teppiche nicht in ihrem Zimmer wollten war noch keiner der sich später wirklich wohlgefühlt hätte.
Aber vielleicht siehst du schon auf den ersten Blick dass mein Haus nichts für dich ist. Da bin ich dir überhaupt nicht böse und helfe dir gerne was anderes zu finden.
Anspruchslose Leute die bereit sind beide Seiten vom "Leben wir vor 100 Jahren" in Kauf zu nehmen dürfen bei mir gerne wohnen. Doch ich möchte keine unglückliche und unzufriedene Gäste mehr.
Ich denke es war einer meiner Fehler, daß ich oft nicht genügend über die Verhältnisse in einem alten kappadokischen Bauernhaus aufgeklärt habe.
Ein anderes Versäumnis war, daß ich zu wenig davon gesprochen habe wie ich meinen "Urlaub" in Ortahisar verbringe.
Meine Aufenthalte haben sich schon von Beginn an von denen eines typischen Besuchers unterschieden. Nach 10 Jahren in denen ich diese Gegend jedes Jahr mehrmals besuche habe ich immer noch einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten nicht gesehen (wie das 3 km entfernte Open-Air Museum in Göreme!). Auch zu einer Ballonfahrt und dem Besuch einer unterirdischen Stadt haben mich Freunde erst die letzten Jahre überreden können. Die landschaftliche Schönheit und die Menschen haben mich von Anfang an so fasziniert daß ich einfach kein Bedürfnis für die absoluten "Highlights" hatte - das ist auch heute noch so!
Und seit ich Obstgärten und Tiere habe verbringe ich den größten Teil meiner Zeit mehr als Bauer als Urlauber - ob es mir gefällt oder nicht. Aber es gefällt mir und ich möchte keinen Moment mit einem "echten" Touristen tauschen.
Bei der Arbeit in den Gärten oder mit meinen Pferden (genauer gesagt sind es ein Pferd, ein Maultier und ein Esel) fühle ich mich wohler als im Teppich- oder Souvenierladen. Aber auch die Gastfreundschaft einer Familie bei einfachem Essen am Boden genieße ich mehr als ein "kultiviertes" Mahl in einem Lokal und eine Wanderung (zu Fuß, zu Pferd oder Esel) durch einsame Täler finde ich schöner als das Gedränge bei den touristischen Highlights.
Ein andere Sache ist, dass ich auch einige einheimische Freunde habe mit denen ich mich treffen möchte und auch das braucht Zeit.
Obwohl ich mit meinen Gästen sehr gerne zusammen bin habe ich oft nicht die Zeit mit ihnen viel zu unternehmen. Leider habe ich das bisher zu wenig deutlich gesagt. Du darfst von mir also nicht viel an "Gästebetreuung" erwarten. Aber es geht auch ohne mich, denn die Einheimischen sind sehr hilfsbereit und der öffentliche Verkehr ist gut. Selbst wenn man kaum oder gar kein Türkisch spricht kommt man überraschend gut zurecht. Und - für alle Fälle - im nahen Göreme und Ürgüp (nur 4 bzw. 7 km entfernt) gibt es eine Menge - oft durchaus empfehlenswerte - Angebote für weniger selbstständige.
Falls du nicht so viel Wert darauf legst möglichst viele Sehenswürdigkeiten und Touristenattraktionen (eine unterirdische Stadt, das Göreme Open-Air Museum usw.) aus deinem Reiseführer in kürzester Zeit zu sehen kannst du gerne mit mir alltäglichere Sachen unternehmen und den Flair des "normalen" Kappadokien genießen. Du wirst auch so einiges von der faszinierenden Landschaft sehen und einen unvergleichlich besseren Einblick in Kultur und Leben der Menschen (oft noch abseits vom Tourismus) bekommen.
Am wohlsten fühlen sich bei mir sicher Wander- und Naturfreunde, Esel- und Pferdebegeisterte und solche die der Alltag und das normale Leben der Menschen eines kappadokischen Dorfes interessiert und die dazu noch Verständis haben, dass ich einfach oft etwas zu tun habe (Gärten, Tiere, einheimische Freunde...).
Doch wenn du jemand bist, der die Liste der Sehenswürdigkeiten eines Reiseführers abhaken will und erwartet dass ich als Fremdenführer mitkomme wirst du enttäuscht sein.
Du bist aber immer herzlich eingeladen mit mir anderers als Teppich- u. Souveniergeschäfte und die bekannten touristischen "Highlights" zu sehen und kennenzulernen - abseits ausgetretener Touristenpfade. Und du mußt mir dazu nicht jedesmal bei der Arbeit helfen!
Wenn du akzeptierst, dass ich kein Gästebetreuer für den typischen Urlauber sein kann und ein altes Bauernhaus zwei Seiten hat kann es für dich ein interessanter, erlebnisreicher, schöner und - im wahrsten Sinne des Wortes - außergewöhnlicher Urlaub werden.
P.S. Noch ein paar Worte zu dem Ort wo ich wohne. Ortahisar liegt im "Herzen" von Kappadokien und einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten sind nur wenige Kilometer entfernt. Trotzdem ist Ortahisar weniger touristisch als die Nachbarorte Göreme und Ürgüp. Das hat Vor- und Nachteile. So kann man hier eher noch das ursprüngliche, vom Tourismus weitgehend unberührte Leben eines anatolischen Dorfes beobachten. Allerdings kannst du in einem wenig auf Tourismus eingestellten Dorf auch keine Sonnencreme kaufen, Geld wechseln oder ein Mountainbike ausleihen...

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