Dienstag, Dezember 05, 2006

Besteigung des biblischen Berges Ararat (5165 m)






































Allgemeines
Meine Frau Erika und ich sind seit vielen Jahren ausgesprochene Bergfreunde. Fast unzählige Jahre haben wir in den Alpen verbracht – so auch in der Silvretta, Huberts Heimat. Dort haben wir ihn auch kennen gelernt.
Nachdem wir im Jahre 2000 eine Alpenüberquerung von München nach Venedig hinter uns gebracht hatten buchten wir noch im gleichen Jahr einen Badeurlaub in der Türkei. So ein Faulenzerurlaub entsprach aber nicht so ganz unseren Bedürfnissen, obwohl er auch recht schön war.
Im Jahr danach machte Hubert uns dann Kappadokien durch Wort und Bild schmackhaft und er lud uns in seine „zweite Heimat“ nach Ortahisar ein.
Durch die Herzlichkeit der Türken die sie uns zuteil werden ließen, schlossen wir Freundschaften und lernten die Türkei und ihre Bewohner schätzen. So haben wir jetzt schon mehrere Jahre lang die Türkei bereist.
Siehe hierzu auch „Eine Reise mit Zug und Auto in die Türkei.“
Im Frühjahr 2005 ließen wir uns von meinem Bruder breitschlagen, noch einmal einen Hotelurlaub mit ihm zusammen in der Türkei zu verbringen. Komfort gab es genug, aber auch viel Langeweile. Das war nichts für uns. Ein anderer Urlaub musste also her! Geplant hatten wir für August/September eine Hüttentour von Oberstdorf nach Verona. Wir kamen aber zu dem Entschluss, dass wir solch ein Unternehmen auch noch im Jahr 2006 durchführen könnten, obwohl wir schon 66 und 67 Jahre alt sind. So suchten wir uns als Urlaubsziel wieder die Türkei aus, um den Ararat zu besteigen.
Zweifel kam auf, hatten wir uns in solch einer Höhe doch noch nicht aufgehalten. Würden wir aufgrund unseres Alters und unserer Kondition diese Hürde schaffen? Investierten wir vielleicht eine doch größere Summe „Bares“ umsonst?
„Egal – wenn wir den Ararat nicht schaffen, haben wir Pech gehabt“, sagten wir uns und buchten dieses Vorhaben. Allein und auf eigene Faust kann man den Ararat nämlich nicht besteigen, weil man dafür ein gesondertes Visum benötigt, welches wohl nur Veranstalter bekommen – die dann auch einen türkischen Bergführer beauftragen.
Gebucht haben wir bei Dr. Koch-Reisen in Karlsruhe, weil dieser Veranstalter auf uns den solidesten Eindruck machte.
Es gibt zwei Arten der Buchungsmöglichkeit für die Araratbesteigung:
- 9 Tage ohne Vortraining. Bei dieser Buchungsart kommt man am Van-See an, besteigt am nächsten Tag den zweithöchsten Berg der Türkei, den Süphan (4058m) und schon am anderen Tag geht es in drei Tagen auf den Ararat.
- 16 Tage mit Vortraining. Hier finden in den ersten 9 Tagen geführte Bergwanderungen in Höhen zwischen 3000 und 3500 m statt. So hat man Gelegenheit, sich wieder an Höhen zu gewöhnen und man tut auch etwas für die Kondition. Erst am 10. Tag beginnt der Aufstieg zum Ararat.
Wir entschlossen uns für die 16tägige Variante. Die Kosten dafür beliefen sich für zwei Personen auf 3684,88 Euro mit folgenden Leistungen:
· Flüge
· Alle Fahrten mit dem Bus
· Transfers und sonstige Transporte
· Vollpension, am Mittag als Picknick
· Reiseleitung
· Transfer + Übernachtung in Istanbul
· Unterkunft im DZ mit DU/WC
· Reisepreissicherungsschein
Kurz erwähnen möchte ich, bevor ich zu der Besteigung des Ararat komme, nur noch folgendes:
Die Quartiere der Dr.-Koch-Anlage am Van-See waren in Ordnung. Gegessen wurde zu jeder Mahlzeit draußen. Hier waren, wie auch trotz Fliegengitter in den Zimmern, die Millionen kleinen, nicht stechenden Fliegen aber sehr lästig.
Das Essen war gut bis sehr gut, die Getränkepreise nicht zu hoch.
Sehr anstrengend waren während der Vortrainingswoche die zum Teil sehr langen Anfahrtswege zu den Ausgangspunkten der Tagesziele.
Vorbereitungen
Seit etwa März haben Erika und ich uns gezielt für die Besteigung des ARARAT vorbereitet. Nordic Walking, Schwimmen und Heimtrainer wurden „groß geschrieben“. Täglich spulten wir eines dieser Programme ab. Anschließend haben wir unsere Kondition in der Silvretta überprüft. Aufwärts 1400 Höhenmeter und abwärts die gleiche Strecke an einem Tag gaben uns Mut und Hoffnung, dass wir den ARARAT „schaffen“ würden.
Erlebnis ARARAT
Die Vorbereitung für die Besteigung des ARARAT mit den beschriebenen Wanderungen in Höhen von 3000 – 3500 m, aber vor allem die Besteigung des Berges SÜPHAN (4058m), dem 2.höchsten Berg der Türkei, steckten uns nach
kurzer Nacht noch in den Knochen. Steiler Aufstieg im Zick-Zack, hinunter
in Senken, hinauf über Schneefelder und langes Kraxeln und Kriechen über großes Blockwerk, welches Vorsicht, viel Kraft und dann vor allem Konzentration beim Abstieg erforderte, waren noch gegenwärtig und sollten uns für das Ziel, die Besteigung des ARARAT, befähigen.
Am 16.08.05, 07.00 Uhr, war die Abfahrt von der Ferienanlage am VAN-See.
Nach 3.5 Stunden Fahrt zu einem Hotel bei Dogubayazit begann das eigentliche Abenteuer der Reise. Von hier aus kann man den Berg gut sehen, noch liegt er in der Ferne, kein anderer Berg in der Nähe, kein Vorgebirge.
Der ARARAT ragt wie ein Solitär aus der Ebene hervor, sieht majestätisch aus, der Gipfel ist schneebedeckt. Er ist ein erloschener Vulkan, nahe der Grenze zu Armenien und dem Iran. Bei dem Anblick und dem Gedanken an unser Vorhaben muss ich die Luft anhalten! Da wollen wir hinauf?!!!
Unser Gepäck, Koch, Kochjunge und gesamtes Küchenequipment einschließlich Lebensmitteln, wir, der neue Bergführer Jussuf, Zelte und andere Kleinigkeiten werden auf einen offenen LKW verfrachtet, fahren über die staubige Fernverkehrsstraße, die nach dem Iran führt, zweigen dann ab auf eine unbefestigte Straße.
Wir werden gehörig zusammengerüttelt und dadurch wird mehr Platz auf der Ladefläche. Die Strecke führt durch das letzte Dorf vor dem ARARAT, Eli Village. Kinder laufen hier neben dem Fahrzeug her, es rumpelt und schüttelt alles durcheinander, dann müssen wir absteigen, ein Stück zu Fuß und dann wieder rauf auf den LKW.
Gegen 12.00 Uhr ist der Endpunkt der Fahrt erreicht und wir befinden uns auf 2365m.
Das Gepäck wird auf Pferde verladen, wir tragen nur den Tagesrucksack, aber das reicht auch. Nach 3 Stunden Aufstieg bei wolkenlosem Himmel und ca. 35 C, Sonne pur …cuanto caliente el sol? –wie heiß ist es?- treffen wir im Lager 1, dem „green Camp“ auf ca. 3300m ein.
Beim Blick nach oben haben wir ein Stück vom Gipfel vor Augen und irgendwie im Bewusstsein, dass es jetzt ernst wird.
Für die Nacht im Lager 1 sind Zelte aufzubauen, das gehört leider dazu, doch dann gibt es ein köstliches Abendessen: Die Köche haben an alles gedacht, in der Mitte der Runde haben sie aufgetafelt: Vorsuppe, Reis mit Fleisch, Tomaten, Melone, Brot, heißen Tee, sogar Sitzgelegenheiten und Servietten haben sie mitgebracht, wir sind mehr als überrascht und bedanken uns mit herzlichem Beifall für den Luxus in dieser Höhe.
Gegen 20.00 Uhr verschwindet die Sonne auf unserer Seite, es sind jetzt ca. 13 C, wir orientieren uns an den Örtlichkeiten für die Bedürfnisse der Nacht und kriechen in die Zelte. Maultiere schreien ab und zu, leise Gespräche dringen aus den Nachbarzelten zu uns, die „schiefe Ebene“ unserer Liegefläche zieht Fußwerts. So schnell kommt man nach so einem Tag nicht zur Ruhe, der Schlaf ist eher leicht als tief. Die Nacht scheint lang, ein Aufenthalt im Zelt ist nicht alltäglich, jeder muss mal raus- nicht nur um die Lichter von Dogubayazit oder den funkelnden Sternenhimmel und den Fastvollmond zu bewundern.
Um 06.00 Uhr erreicht uns die allgemeine Unruhe von den anderen Zelten, man packt schon, wir stehen auf. Nach dem Frühstück, so gegen 08.30 Uhr, geht es los. Vor uns liegen 1000m Aufstieg zum Lager 2, das angeblich in 3 Stunden erreicht sein soll. So allmählich steigt das Gelände an und die Serpentinen werden immer länger, tief einatmen und ganz langsam steigen, wir schnaufen uns hoch. So nach und nach geht es leichter und Pausen werden zunehmend in größeren Abständen erforderlich.
High noon sind wir oben. Vor uns riesige Gesteinsbrocken, schwarze Lavafelsen, dazwischen große und kleine Zelte, Leute, die sich vom Auf- oder Abstieg ausruhen, manche sind im Aufbruch, Pferde, Esel, ein buntes Durcheinander.
Der Zeltaufbau zwischen dem Gestein fällt uns schwer, erst mal eine ebene Fläche finden und dann noch Schotter und nachrutschendes Gestein wegschaffen. Bisher was alles anstrengend, aber der Zeltaufbau fordert weiteren, Kräftezehrenden Einsatz. Hier oben ist die Luft dünner, die Sonne brennt wieder erbarmungslos, es hämmert leise im Kopf:
Wir sind im Hochlager –rock camp- auf 4100m, wir sind zum 1.mal in solcher Höhe.
Nachdem die Zelte endlich stehen und die Sachen für die bevorstehende Aktion sortiert sind, probieren einige Teilnehmer noch einmal die Steigeisen an. Das Anlegen und Verschnüren soll für sie in der Höhe nicht zum Verzug führen, also üben sie noch mal.
Leerlauf ist auch danach nicht angesagt. Jussuf, der Bergführer, hat uns empfohlen, am Nachmittag noch bis auf 4500m zu steigen, um eine bessere Anpassung an die Höhe zu erreichen.
Zusammen mit Dirk und Alois gehen wir gemeinsam los, im Zick-Zack auf kleinem Schotter-Pfad mit Höhenangaben aller 100m. Vier Franzosen kommen vom Gipfel. Sie sind erschöpft und berichten, dass es schwer war. Für den Auf- und Abstieg haben sie 12 Stunden gebraucht, was sie sagen, hört sich dramatisch an und sie mahnen, langsam zu gehen. Als wir 4500m Höhe erreicht haben beschließen wir umzukehren. Nach oben zu tun sich größere Brocken auf, Kletterei wie am SÜPHAN steht aber angeblich nicht bevor.
Die Gedanken bohren in uns, ob wir es wohl schaffen werden?
Gegen 19.00 Uhr legen wir uns zur Ruhe, die Nacht scheint hier etwas kälter zu werden, aber im Zelt ist das nicht von Bedeutung. Unsere Schlafsäcke bieten Komfort bis -10C. Gegen Kopfschmerzen werden „Thomapyrin“ genommen, sie zeigen Wirkung. In der Ruhephase arbeitet die Blase am besten, 2mal raus. Über uns ein Stern am anderen, Vollmond, himmlische Ruhe, verstreut inmitten vom schwarzen Gestein sind Zelte zu erkennen. Gegen Mitternacht wälzt sich jemand aus dem Nachbarzelt. Es ist Hartmut. Er muss sich mehrmals übergeben. So geschwächt kann er nur liegen bleiben, wenn wir anderen um 02.00 Uhr aufstehen, die angekündigte Suppe, Tee und etwas Brot nehmen und ausgerüstet mit Stirnlampe, Eispickel, Steigeisen, Teleskopstöcken, Wechselkleidung, 3 Liter Wasser und Verpflegung um 02.40 Uhr losziehen.
Ob Gerd Merkel wohl den Aufstieg wagt? Es hat ihn nämlich nicht nur am SÜPHAN durch Steinschlag, sondern auch hier durch Übelkeit erwischt.
Gerd ist erfreulicherweise dabei.
Gerd Merkel, der Professor für Kartographie und Geodäsie mit zusätzlichem Berufsabschluss Berg- und Tourenführer, bleibt für viele in bewährter Weise „Freund und Helfer“. Jussuf geht vorn und gibt die Richtung an.
Ulf, unser Schnellgänger, hat auch einen schlechten Tag. Hohes Fieber und Durchfall haben ihn erwischt. Nur damit seine Lebenspartnerin Gisela nicht auch den Aufstieg abbricht, quält er sich hoch.
Alle 100 Höhenmeter wird eine kurze Pause gemacht, getrunken, tief durchgeatmet. Bei 4600 m ist für einige Schluss, eine Höhenkrankheit bahnt sich an und die Betroffenen müssen leider den Abstieg antreten.
Ziemlich schnell sind die „Frühstücksreserven“ aufgebraucht, da müssen Kalorien nachgeschoben werden, ein sogen. Hungerrast würde auch zum Brechen führen.
Die Steigung ist steil, anfangs wegähnlich mit kurzem Zickzack, so gewinnt man schneller an Höhe. Hinter uns steigt eine weitere Gruppe auf, sie überholt uns als die größeren Gesteinsbrocken hinter uns liegen. Diese Gruppe scheint jünger zu sein. Unsere Teilnehmer sind überwiegend zwischen 50 und 55 Jahre alt. Erika und ich sind die ältesten Teilnehmer, fallen konditionsmäßig aber ganz sicher in das oberste Drittel.
Ab ca. 4700m wird das Gelände etwas flacher, der Boden hier aber gefroren. Eis überzieht zum Teil die Steine. Etwas später ist alles schneebedeckt, bei etwa 4900 m legen wir die Steigeisen an. Die bergerfahrenen Teilnehmer zeigen den „Frischlingen“ wie man im Fall des „Falles“ mit dem Pickel hantiert, die Übung hätten manche schon eher mal machen sollen.
Bis unmittelbar vor dem Gipfel stapfen wir sachte über eine lang gezogene Steigung und im Zick-Zack über Firn, dann kommt ein kurzer, steilerer Aufstieg.
Hinter uns bewegen sich mehrere Schlangen mit dem gleichen Ziel:
Gipfelsturm!
Um 08.10 Uhr stehen wir oben, der Gipfel ist erreicht, 5165m!
BERG HEIL!
Ein Gipfelkreuz gibt es nicht. Auch kein Gipfel-Buch.
Über uns blauer Himmel, die Sonne scheint, der Schnee glitzert tausendfach, es ist ziemlich windig, die Fernsicht nicht ganz klar. Trotzdem haben wir unendliches „Wetterglück“. Mussten doch schon viele Gruppen kurz vor dem Gipfel umkehren, weil Schneestürme und Schlechtwetter sie dazu zwangen.
Wir haben einen schönen Blick auf den Kleinen Ararat (3900m), aber auch in weite Ferne, irgendjemand kennt die Richtung, wo Jerewan liegen soll. Fotos werden gemacht, unsere Türkin Leyla und ihre Freunde haben eine türkische Fahne mitgebracht, Gruppenbild und Glückwünsche, wir freuen uns sehr!
Nach 0,5 Stunden Aufenthalt auf dem Gipfel (08.40 Uhr) treten wir den Rückzug an und schaffen es, um 11.45 Uhr im Hochlager anzukommen. Eine kurze Zeit!
Vom Hochlager aus haben uns die „Kranken“ schon lange beobachtet, sie empfangen uns mit Glückwünschen und der angekündigten Nussparty.
Jetzt brauchen wir erst mal etwas Abstand und Pause vom Geschehen, ausruhen wäre schön. Die Sonne kracht erbarmungslos, man stiert vor sich hin, um sich innerlich zu sammeln. Aber da müssen ja noch die Zelte abgebaut werden und der Abstieg zum Lager 1 steht uns auch noch bevor. Den Kranken wird selbstverständlich beim Zeltabbau geholfen, eine zusätzlich Strapaze in dieser Situation.
Wir beobachten die Mannschaft unseres Gepäcktrecks und die beäugen uns, bringen sich für ein Foto in Stellung.
Gegen 14.30 Uhr setzt sich Mensch und Tier in Bewegung. Ankunft im Lager 1 gegen 16.00 Uhr.
Vielen ist übel, sie haben Kopfschmerzen und eine Vorahnung auf das, was sich im Magen ankündigt und dann nachts zum Vorschein kommt.
Mit Schwarztee und trockenem Brot im Bauch gehen viele dann am Morgen (19.08.05) so gegen 08.30 Uhr von 3300m auf 2365m talwärts bei 30C. Dafür brauchten wir 2 Stunden.
Am LKW werden wir von Kindern umringt, diesmal wollen sie „Krem“ und zeigen auf die Sonne und ihre lädierte Haut, die Reste werden verteilt.
Zum Abschluss müssen wir noch eine Strapaze aushalten: die Fahrt auf dem offenen LKW mit Rütteln, Rumpeln aber vor allem Staub von allen Seiten und Sonne bis zum Abwinken. Alle sind recht schweigsam, noch ein paar Fotos auf das, was hinter uns liegt, kleiner und kleiner wird, doch der Anblick bleibt schön, die Erinnerungen mannigfach.
Fazit
Der Aufstieg zum ARARAT war nicht besonders schwierig und technisch keine Hürde. Gute Vorbereitung, körperliche Kondition, Durchhaltevermögen, wahrscheinlich aber auch so was wie Glück (gesund bleiben) sind einige Voraussetzungen, den Gipfel zu erreichen oder wie der Engländer sagt „only tough is not enough“…
Erika und Gerhard Rolletschek

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